Chat-Transkript vom 13.04.2005

Oswald Metzger, ehem. MdB von Bündnis '90/Die Grünen

Thema: Rot-Grün nach der Visa-Affäre - Ende eines Regierungsprojektes?

: Lars_Harms hat den Raum betreten
: Lars_Harms hat den Raum verlassen
: Moderator hat den Raum betreten
: Oswald_Metzger hat den Raum betreten
Oswald_Metzger: Guten Abend, Herr/Frau Moderator. Ich bin rechtzeitig an den PC geeilt, um nichts zu verpassen.
Moderator: Guten Abend Herr Metzger! Herr Moderator ist übrigens richtig. ;)
Moderator: Wir sind in ca. 7 Minuten "auf Sendung" - d.h. ab dann können die Zuschauer uns sehen und auch selber Fragen in den Chat leiten.
Oswald_Metzger: Ist in Ordnung. Dann bin ich auch ab 18.00 Uhr bereit. Ab sofort dann in "Grün".
Moderator: Wunderbar. :)
Moderator: Evtl. kommt noch ein Vertreter der Internet-Regierung in den Chat und der Organisator des Chats.
Moderator: Ansonsten sind wir hier alleine.
Moderator: So...
Moderator: Jetzt ist der Chat freigeschaltet, d.h. ich begrüße jetzt die Zuschauer!
Oswald_Metzger: Einen guten Abend auch von meiner Seite.
Moderator: Herzlich Willkommen Herr Metzger zum dol2day-Chat! Thema ist heute: "Rot-Grün nach der Visa-Affäre - Ende eines Regierungsprojektes?" - aber zu erst ist es bei uns guter Brauch, das man sich kurz vorstellt.
Oswald_Metzger: Ich war acht Jahre lang Haushaltspolitischer Sprecher der Grünen im Deutschen Bundestag (bis 2002). Heute bin ich als freiberuflicher Politiker in Deutschland unterwegs - Vorträge vor allem, Politikberatung, aber auch publizistische Tätigkeiten. 2006 will ich wieder für den Bundestag kandidieren.
Moderator: Das Thema lautet ja "nach der Visa-Affäre". Wann ist diese denn Ihrer Meinung ausgestanden?
Oswald_Metzger: Das wird darauf ankommen, wie sich die mediale Wahrnehmung nach dem Fischer-Auftritt am 25. April entwickelt. Man wird auch an der heutigen Beteiligung bei Ihnen ablesen können, ob der Zenitz dieser Debatte nicht bereits überschritten ist.
Moderator: Aber bevor wir das Thema weiter von hinten aufrollen - eine Frage zu ihrer Vorstellung:
Moderator: Frage von cycokan an Oswald Metzger:    "Für welche Partei? ;-P"
Oswald_Metzger: Ich will wieder für die Grünen antreten - in meinem bisherigen Wahlkreis Biberach und auf der baden-württembergischen Landesliste.
Moderator: Welchen Platz auf der Landesliste streben Sie an? Da gab es ja letztes Mal 2002 einige - nennen wir es mal - Differenzen...
: Boche hat den Raum betreten
Boche: Guten Abend allerseits.
Moderator: Hallo Boche - der Organisator des Chats!
Oswald_Metzger: Ich will einen aussichtsreichen Platz, lege mich aber nicht viele Monate vor dem Parteitag im Dezember öffentlich fest, auf welchen ich spekuliere.
Oswald_Metzger: Guten Abend an Boche auch von mir!
Boche: Entschuldigung für das Zuspätkommen. Ich hatte Gegenwind auf dem Heimweg. ;-)
Moderator: Bevor wir das Thema Visa-Affäre anschneiden, noch eben allgemeiner gehaltene Fragen.
Oswald_Metzger: Das ist das Los der Radfahrer. Gelegentlich hat man aber auch Rückenwind - wie im richtigen Leben!
Moderator: Frage von MFriedman an Oswald Metzger:    "Was sagen sie dazu, dass die letzte Rot-Grüne Landesregierung kurz vor der Abwahl steht? Ende einer Ära?"
Moderator: Frage von Maget an Oswald Metzger:    "Guten Tag Herr Boche!"
Oswald_Metzger: Obwohl Parteien immer Optimismus erwarten: Ein Sieg von Rot-Grün in NRW ist im Augenblick kaum mehr vorstellbar, obwohl die SPD mit einer Emotionalisierung ihrer Stammmilieus den Turnaround noch schaffen will. Rot-Grün hat sich längst überlebt - unabhängig vom Ausgang der Wahlen am 22. Mai.
Moderator: Wenn sich Ihrer Meinung nach Rot-Grün überlebt hat... stellt sich diese Frage:
Moderator: Frage von reform4u an Oswald Metzger:    "Könnten Sie sich nach 2006 eine schwarz-grüne Koalition vorstellen?"
Oswald_Metzger: Dazu haben sich die Grünen in den vergangenen Jahren zu wenig konzeptionell modernisiert. Einen solchen Politikwechsel kann man nicht einfach aus machtpolitischen Gründen übers Knie brechen. der will programmatisch vorbereitet sein. Deshalb werden die Grünen nach Rot-Grün zunächst eine ganze Weile auf Bundesebene in der Opposition sein. Vielleicht läuft aber in einem Bundesland mal ein Test.
Moderator: Kommen wir nun aber zum eigentlichen Thema des Chats - die Visa-Affäre:
Moderator: Frage von reform4u an Oswald Metzger:    "Glauben Sie, dass die Visa-Affäre von der Opposition aufgebauscht wurde, um Joschka Fischer zu diskreditieren?"
Moderator: Ich bitte die Zuschauer jetzt ihre Fragen auch primär auf dieses Thema zu richten, denn auch wenn die anderen Themenbereiche sehr interessant sind - das eigentliche Thema lautet ja Rot-Grün nach der Visa-Affäre - Ende eines Regierungsprojektes?
Oswald_Metzger: Natürlich hat das auch mit Strategie der Opposition zu tun. Aber die Art und Weise, wie wir Grünen und Fischer selbst mit dem Thema über Monate umgegangen sind, erklärt für mich die extrem negative Reaktion der Medien. Hochmut und Wagenburgmentalität kommen vor dem Fall.
Moderator: Frage von cycokan an Oswald Metzger:    "In wie weit kann man einen Minister für Fehler in einem Teilbereich seines Amtes persönlich verantwortlich machen? Wieviel seiner Zeit hat sich Fischer wohl für dieses Thema genommen und wieviel hätte er sich nehmen müssen?"
Oswald_Metzger: Ich bin ein flexibler Mensch, wenn Fragen zu anderen Themen kommen, nehme ich auch dazu gern Stellung.
Moderator: Okay... wir sind auch flexibel. ;)
Oswald_Metzger: Es gibt so etwas wie eine Generalverantwortung eines Ministers. Andrea Fischer, Grüne Gesundheitsministerin, mußte gehen, weil ein Schreiben einer nachgeordneten Dienststelle in Sachen BSE nicht rechtzeitig weitergegeben wurde.
Boche: Sie fordern den Rücktritt Fischers?
Oswald_Metzger: Nein, warum auch? Ohne Fischer ist diese Koalition sofort am Ende und die mögliche persönliche Veranwortung des Ministers wird der Untersuchungsausschuß aufklären. Ich glaube, dass Fischer Minister bleibt, es sei denn, er läßt sich eine uneidliche Falschausssage vor dem Auschuß nachweisen.
Moderator: Frage von McAlphA an Oswald Metzger:    "Glauben Sie das Fischer noch glaubwürdig ist, wenn durch den Untersuchungsausschuss ferstegstellt wurde, das Fischer schon früher vom Mißbrauch wusste?"
Oswald_Metzger: Also mal ganz abgesehen von dem, was der Visa-Ausschuß an Fakten erbringt. Joschka Fischer wird nach menschlichem Ermessen nie mehr die Popularität und politische Autorität erhalten, die er vor dieser Affäre mit ihrer extrem schlechten Presse hatte. Das wird langfristig wirken, da braucht man sich nichts vorzumachen.
Moderator: Frage von McAlphA an Oswald Metzger:    "Also wenn Andrea zurücktreten musste, wegen der BSE-Sache, soll Fischer wegen der Visa-Affäre zwangsläufig dann auch gehen?"
Moderator: Frage von Rollenspieler an Oswald Metzger:    "Andrea Fischer wollte gehen, auch das hätte man aussitzen können, oder ? Ferner sehe ich einen engen Zusammenhang zwischen Rücktritts A. Fischer und damaligen Landwirtschaftsminister Funke, sie nicht ?"
Oswald_Metzger: Doch, Ihre Einschätzung teile ich. Aber es hatte auch damit zu tun, dass Spitzenpolitiker der Grünen das Gesundheitsressort an die SPD abgeben wollten, um nicht für die Reform der Krankenversicherung den Kopf hinhalten zu müssen. Verbraucherschutz war ein weiches Thema, mit dem man als ökologische Partei eher glaubt reüssieren zu können. Und Renate Künast ist das ja auch ganz ordentlich gelungen.
Moderator: Nochmal kurz etwas zu ihrer Kandidatur:
Moderator: Frage von Rollenspieler an Oswald Metzger:    "Warum sollte man dann noch für Bündnis90 / die Grünen kandieren, wenn das Modell ausgesorgt hat ? "
Moderator: Frage von MINOS an Oswald Metzger:    "Werden Sie versuchen wie Ströbele ein Direktmandat zu gewinnen?"
Moderator: Frage von MFriedman an Oswald Metzger:    "Rechnen sie sich wirklich Chance auf einen lukrativen Listenplatz aus, wenn die Bundespartei mit einer klaren Koalitionsaussage bezüglich der SPD in den Wahlkampf zieht?"
Oswald_Metzger: Ich habe noch nie in erster Linie für den Bundestag kandidiert, um in einer rot-grünen Regierung zu sein. Ich wollte für eine langfristig tragfähige Politik (Abbau der Staatsverschuldung, Reform der sozialen Sicherungssysteme, ein gerechtes Steuersystem) kämpfen. Und das kann man im Parlament - als dem Ort der Legislative. Auch nach dem möglichen Ende der rot-grünen Koalition bleiben diese Themen überlebensnotwendig für unser Land. Die Frage mit dem Direktmandat ist leicht zu beantworten. In einem schwarzen Wahlkreis wie bei mir zuhause ist das nahezu unmöglich. Aber eeizen würde es mich schon, Ströbele in diesem Punkt nachzueifern.
Moderator: Frage von sevenseas an Oswald Metzger:    "Sind Sie als allseits anerkannter Wirtschaftsexperte nicht besonders zerknirscht, daß gleich am Anfang der zweiten Legislaturperiode von RotGrün echte und tiefgreifende Reformen (Steuern, Subventionen, Arbeitsmarkt) ausgelassen wurden und nicht zuletzt deshalb jetzt das Ende des Projekts droht?"
Oswald_Metzger: Mit der nötigen Ironie an die Adresse von MFriedmann: Vor Gericht, auf hoher See und auf Grünen Parteitagen ist alles möglich. Ob ein Querdenker wie ich gewählt wird, hängt von vielen Faktoren ab, auch davon, ob die einfachen Delegierten ihm abnehmen, dass er aus Überzeugung für eine langfristig tragfähige Politik kämpft und seine persönliche Marke den Grünen in einem schwierigen Wahljahr 2006 hilft oder schadet.
Moderator: Frage von Hartman an Oswald Metzger:    "Denken sie nicht auch, dass die Politik von B90/Grüne massgeblich für die schlechte wirtschaftliche Lage und die hohe Arbeitslosenzahl verantwortlich ist?"
Oswald_Metzger: Aus meiner Einschätzung, dass sich Fehlstarts anscheinend doch wiederholen lassen, habe ich in zahlreichen Kommentaren im Herbst 2002 keinen Hehl gemacht. Nicht die Grüpnen, sondern der Kanzler hat dann mit seiner Agenda 2010 im März 2003 versucht das Steuer herzumzureißen. Aber aus Überzeugung haben im Regierungslager nicht viele die Reformpolitik vertreten.
Moderator: Frage von MINOS an Oswald Metzger:    "Wie sehen Sie eigentlich die Äusserungen von Herrn Müntefering, der dem Anschein nach die SPD in die Zeit vor Godesberg zurück führen will?"
Oswald_Metzger: Ich glaube, da wird die Rolle meiner Partei in einer Gesamtwürdigung falsch gewichtet. Ohne die Grünen wären die Rentenbeiträge heute fast 2% höher und damit Arbeit teuerer. Und ohne die Grünen hätte es den Nachhaltigkeitsfaktor in der Rente nicht gegeben. Aber ich gebe zu, den Drive für nachhaltige Wirtschaftspolitik, den wir in den Bonner Oppositionsjahren (bis 1998) an den Tage gelegt haben, haben wir in der Regierungsbeteiligung Zug um Zug verloren. Dabei haben gerade die Grünen die bestausgebildetste Wählerschaft aller Parteien, die ehrliche Reformen gut mitträgt.
Moderator: Frage von Maget an Oswald Metzger:    "Warum diffenzieren die Grünen beim Wort "Reform" so wenig? Zugegeben, auch die SPD hängt hier etwas. Aber die Grünen haben sich undifferenziert als DER REFORMMOTOR präsentiert. Wie kann das sein? Meinen sie damit auch den Motor für Sozialabbau?"
Oswald_Metzger: Müntefering versucht eine neue Metabotschaft zu setzen: Stammwähler der SPD an Rhein und Ruhr, wählt SPD. Denn wir sind der Lordsiegelbewahrer der sozialen Gerechtigkeit. Wenn die Schwarzen auch in NRW drankommen, dann droht die soziale Abrissbirne. Eer reideologisiert, um mit der Attacke auf das anonyme Kapital von der verheerenden Bilanz der Wirtschaftspolitik abzulenken. Ich glaube nicht, dass diese Botschaft die SPD in NRW auf die Siegerstraße führt. Aber der Resonanzkörper in der Gesellschaft für einfache und ideologische Antworten wächst wieder.
Moderator: Frage von Maget an Oswald Metzger: Wie stehen Sie eigentlich zu den anderen kleinen Parteien? Was spricht aus ihrer Sicht gegen ein Engagement z.B. bei der FDP (wirtschaftsliberal) oder bei der neuen "WASG" links von den Grünen? (Beide Parteien mag ich persönlich zwar nicht, aber aus den Grünen werde ich auch nicht mehr schlau!)
Moderator: Frage von HerbertP an Oswald Metzger:    "Könnten Sie sich vorstellen, auch für eine andere Partei, als die Grünen, im Bundestag aktiv zu sein?"
Oswald_Metzger: Alle sozialen Leistungen in einer Gesellschaft müssen durch die Wertschöpfung der aktiven Generation finanziert werden. Jahrzehntelang haben wir einer Volksbeglückungspolitik gefrönt, die keine Rücksicht auf die Kostenseite des Sozialstaats nahm. Deshalb sind die Korrekturen in den Sozialsystemen für mich kein blanker Sozialabbau, sondern notwendige Voraussetzung, um langfristig für die wirklich Bedürftigen das Existenzminimum zu sichern.
Oswald_Metzger: Nach wie vor sind die Grünen für mich die Partei, die gesellschaftspolitisch linksliberal denkt, sich wirtschaftspolitisch - trotz wieder zunehmender etatisitischer Tendenzen - ordoliberal akzentuiert und mit der ökologischen Klammer der langfristig Tragfähigkeit programmatisch an die künftigen Generationen denkt. Und schlußendlich haben mich die Grünen als Nichtmitglied 1987 das erste Mal für den Bundestag nominiert. So etwas vergißt man nicht.
Moderator: Frage von cycokan an Oswald Metzger:    "`Überzeugung alleine tut es ja wohl nicht. Empirisch lässt sich doch eher nachweisen, dass alle Einschränkungen von Arbeitnehmerrechten, Steuergeschenke für Unternehmen und Besserverdienende, Kürzungen bei Sozialleistungen seit nun schon 20 Jahren keine Arbeitsplätze gebracht haben, dafür aber die Armen ärmer und die Reichen reicher wurden. Ist es da nicht eher an der Zeit für Sie, von ihren Lösungsansätzen abzurücken?"
Oswald_Metzger: Das Problem ist, dass in Deutschland zwar seit bald zwanzig Jahren wirtschaftsliberale Reformen diskutiert werden, aber nur ganz wenige wirklich umgesetzt wurden. Und die Pflegeversicherung wurde als umlagefinanzierte Sozialversicherung erst vor zehn Jahren eingeführt - ein unverständlicher Nonsense, der langfristig die steigenden Pflegekosten an die Arbeit bindet und damit Arbeit verteuert. Praktisch macht die politische Linke in diesem Land virtuelle Reformen, die häufig nur diskutiert, aber nie umgesetzt wurden, für deren Scheitern verantwortlich. Das ist ein Treppenwitzt!
Moderator: Frage von Rollenspieler an Oswald Metzger:    "Wie soll das Exsitenzminum gesichert werden ?"
Moderator: Frage von Rollenspieler an Oswald Metzger:    "Wo ligt dieses Exsitenzminum für sie ?"
Oswald_Metzger: Wir müssen uns in Deutschland eben auch klar sein, daß in der einen Welt nicht wir Protketionismus betreiben können, indem wir unsere Märkte abschotten, aber gleichzeitig offene Märkt für unsere Güter und Dienstleistungen von anderen verlangen. Wenn die früheren Habenichtse auf der Welt plötzlich bildungshungriger und fleißiger und innovativer sind, wie wir, dann wird eben deren Wohlstand steigen, während er bei uns sinkt. Das ist normal und wird sich durch keine Mindestlöhne, Entsendegesetze oder sonstige Schutzmauern aufhalten lassen.
Moderator: Frage von KlausJoerg an Oswald Metzger:    "Finden sie nicht, dass ihre einseiten Äusserungen z.B. was den "Staatsbankrott" angeht manchmal unangemessen sind und sie dadurch sehr leicht von z.B. der Inititative neue soziale Marktwirtschaft vereinnahmt werden können ?"
Moderator: Frage von cycokan an Oswald Metzger:    "Mit Verlaub , Herr Metzger, sie sind ein übler Hetzer, von wegen Volksbeglückungspolitik. Sie sind ein knallharter Kapitalinteressenvertrer, gesponsert von der sogenannten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, personifizierter grüner Ettikettenschwindel."
Oswald_Metzger: Wir sind eine Erwerbsgesellschaft. Deshalb müssen wir alles daran setzen, dass möglichst viele Menschen im ersten Arbeitsmarkt tätig sein können. Dafür braucht es eine Verbilligung des Faktors Arbeit, in dem die Lohnzusatzkosten für die Bezahlung des Faktors Arbeit gesenkt werden - beispielsweise auch dadurch, dass die Mehrwertsteuer steigt und dafür der Arbeitslosenversicherungbeitrag deutlich gesenkt wird. Und Menschen, die arbeiten können, müssen auch bei uns in Deutschland in erster Linie von Arbeit leben, nicht von dauerhafter Alimentierung durch die Gesellschaft. Auch ein Sozialstaat muss seinen Bürgerinnen und Bürgern eigenes Engagement abverlangen. Für mich liegt das Existenzminimum in Deutschland da, wo es mit Hartz IV definiert wurde - bei rund 345 Euro monatlich plus der Kosten für die Warmmiete einer angemessenen Wohnung. Ansonsten ist jeder Taxifahrer bescheuert, der nicht schwarz, sondern angemeldet 12 Stunden am Tag im Auto sitzt und arbeitet - und auch nicht viel verdient.
Moderator: Wollen Sie zum Theme "Neue soziale Marktwirtschaft" noch was sagen?
Oswald_Metzger: Ich bin ein Mann der klaren Sprache, der von sich glaubt, programmatisch nicht beratungsresistent zu sein. Für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft bin ich ehrenamtlich tätig und kann dort meine Position einbringen. Und da rede ich dem Kapital nicht nur das Wort. Als ich mich für Subventionsabbau bei der Steinkohle stark macht, tobte die entsprechende Industrie an Rhein und Ruhr. Als die Inititive die Agrarsubventionen attackiert, traten die Botschafter Edmund Stoiber und Michael Glos aus der Initiative aus. Dort herrscht für mich eine Pluralität - trotz der Finanzierung durch die Arbeitgeberverbände, die auf der Website offen kenntlich gemacht ist. Als Hetzer sehe ich mich schon gar nicht. Solche Attribute fallen mir neuerdings in der politischen Linken auf. Das ist ein Sprachvokabular, dass ich sonst der faschistischen rechten zuordne.
Moderator: Danke... das hat sich überschnitten! Dann will ich - angesichts der Zeit - eine letzte Frage, und die zum eigentlichen Thema des Chats, stellen...
Moderator: Frage von cycokan an Oswald Metzger:    "Ist Joschka Fischer aus ihrer Sicht unter Berücksichtigung aller Teilaspekte ein gute oder schlechter Aussenminister? Geben sie ihm doch mal eine Schulnote und erläutern ihre Wertung."
Moderator: Oder hätten Sie ggf. noch ein paar Minuten Zeit, da wir noch viele weitere Fragen haben? (keine Sorge, das wird nicht zu lange dauern - maximal bis 19.15 Uhr, da wir gleich noch einen weiteren Chat haben)
Oswald_Metzger: Ich würde ihm ein gut bis befriedigend geben. Er hatte vor allem beim Irakkrieg der Amerikaner sehr frühzeitig auf eine Nichtbeteiligung Deutschlands und die Allianz mit den Franzosen gesetzt, was sich für unser Land als Glücksfall herausgestellt hat. Und er ist überzeugter Europäer, der vor allem auch in der Frage des EU-Beitritts der Türkei nicht gewackelt hat, als die Konservativen damit beim Wahlvolk Stimmung machen wollten.
Oswald_Metzger: Ich bin noch dabei!
Moderator: Wunderbar!
Moderator: Frage von HerbertP an Oswald Metzger:    ">>Aber der Resonanzkörper in der Gesellschaft für einfache und ideologische Antworten wächst wieder. << Ist das aus Ihrer SIcht auch der Erfolgsgrund für die NPD in Sachsen?"
Moderator: Frage von MINOS an Oswald Metzger:    "Glauben Sie, dass die Reideologisierung der Politik den Parteien helfen wird oder kann es sogar zu einem politischen Grabenkampf zwischen den demokratischen Parteien führen und somit extremistischen Parteien nützen (wie in Weimar)?"
Moderator: <-- hat den Chat für die Zuschauer so eben verlängert, damit der Link zum Zuschauerraum weiterhin aufrufbar ist.
Oswald_Metzger: Ich habe Angst davor, dass in den harten Verteilungskämpfen der künftigen Jahre die Vereinfacher Zulauf bekommen. Das ist die NPD, aber das können auch neue Parteien der rechtspopulitischen bürgerlichen Mitte werden. Der Politik insgesamt fehlt Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Deshalb wenden sich viele Leute ab, haben die Talkshow-Unkultur des Politikbetriebs satt. Wenn es um Existenzängste geht, sind wir Deutschen einfachen ein Vollkaskoland. Auch Leute, die in den Mittelschichten gut leben, haben Ängste, die sich radikalisieren lassen.
Moderator: Frage von KlausJoerg an Oswald Metzger:    "In Grossbrittanien zeigen empirische Untersuchungen, dass Labour von oben nach unten umverteilt hat. Ganz im Gegensatz zur rot-grünen Reigerung hier. Es gab dort auch hohe Lohnabschlüsse. Das Land steht besser da als Deutschland und New Labour wird die Wahlen wieder gewinnnen. Wie erklären sie sich das ?"
Moderator: Frage von MINOS an Oswald Metzger:    "Die Frage des Waffenembargos gegen China... versucht Fischer durch seine Opposition in dieser Frage Sympathien zurück zu gewinnen?"
Oswald_Metzger: Relativ einfach: In Großbritannien funktioniert der Arbeitsmarkt hochflexibel. Die staatlichen Sozialleistungen sind niedriger und werden weniger lang bezahlt als bei uns. An den Universitäten werden Studiengebühren bezahlt - und trotzdem studieren mehr Leute aus Arbeiterfamilien als in Deutschland. Die Briten haben das Wachstumspotential ihrer Volkswirtschaft in den vergangenen zehn Jahren praktisch komplett ausgeschöpft und damit die grassierende Arbeitslosigkeit massiv zurückgeführt. Das führte zu mehr Einkommen, zu weniger Staatsausgaben, zu mehr Wohlstand. Da liegt der Schlüssel, dass wir auch in Deutschland durch konsistente Reformen wieder mehr Dynamik in die Wirtschaft bekommen.
Moderator: Frage von Franklin an Oswald Metzger:    "Was kommt dann nach Rot-Grün?"
Moderator: Frage von cycokan an Oswald Metzger:    "WAs ist denn ihre Alternatividee zu Rot/Grün?"
Moderator: Frage von reform4u an Oswald Metzger:    "Wäre Angela Merkel Ihrer Meinung nach ein bessere Bundeskanzlerin als Gerhard Schröder?"
Oswald_Metzger: Ich weiß nicht, was Fischer für Motive hat. Aber er vertritt die Position meiner Partei und auch meine ganz persönlich. China ist noch nicht reif für eine Aufhebung des Waffenembargos - schon gar nicht, wenn jetzt unverhohlen die militärische Karte in Sachen Taiwan hochgehalten wird.
Moderator: Frage von MFriedman an Oswald Metzger:    "Befürchten sie nicht, dass nach einer möglichen Abwahl der Bundesregierung ein weiterer Linksruck folgte, weil viele Grüne die Harzreformen für die Abwahl verantwortlich machen?"
Oswald_Metzger: Ich will kein Prophet sein, aber schwarz-gelb ist derzeit nicht unwahrscheinlich. Ob Merkel die bessere Kanzlerin als Schröder wäre, ist leicht zu beantworten: Als Frau wäre sie die erste in der Geschichte dieser Republik und damit konkurrenzlos. Aber im Ernst: Die Qualität beweist sich immer erst im Amt. Die Befähigung würde ich ihr nicht absprechen.
Moderator: Frage von cycokan an Oswald Metzger:    ""Wir sind eine Erwerbsgesellschaft" - im Grundgestz steht aber: "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat." Warum setzen sie andere Schwerpunkte?"
Oswald_Metzger: Auch das ist nicht ausgeschlossen. Aber dann sind die Grünen als Partei erledigt, weil sie dann von der über 140-Jahre alten Sozialdemokratie, die in der Opposition dann auch wieder die soziale Frage für sich reklamiert, buchstäblich mit dem breiten Hintern einer Volkspartei erdrückt wird. Und schließlich gibts in dieser Nische auch noch die PDS. Die Grünen haben nur eine Chance als ökolibertäres Projekt. Dann können sie beiden Volksparteien Beine machen und im besten Sinn des Wortes Anwalt künftiger Generationen im Politikbetrieb dieser Republik sein.
Oswald_Metzger: Bei dieser von mir verwendeten Begrifflichkeit geht es nicht um eine Neudefinition der Verfassung. Es geht nur darum, darauf hinzuweisen, dass unser Wohlstand von Arbeit und Leistung kommt - und nicht als Manna wie in der Bibel vom Himmel fällt.
Moderator: So... jetzt die letzte Frage für den jetzigen Chat - schließlich beginnt gleich der nächste mit Herrn Harms vom SSW in Schleswig-Holstein. Ich danke Ihnen Herr Metzger für Ihre Bereitschaft hier mitzumachen - und danke natürlich auch den Fragestellern und Zuschauern!
Moderator: Frage von HerbertP an Oswald Metzger:    "Blicken Sie optimistisch in die Zukunft des Landes Deutschland?"
Oswald_Metzger: Ich bin als barocker katholischer Oberschwabe Lutheraner, wenn es um das Prinzip Hoffnung geht: Und wenn ich wüßte, dass am andern Tag die Erde untergeht, ich würde ein Apfelbäumchen pflanzen! Ich glaube an die Menschen in diesem Land, die man nur abholen braucht durch glaubwürde und vertrauensstiftende Politik. Wir können es packen in Deutschland.
Moderator: Der Dank vom Rollenspieler für Ihre Chatteilnahme ("Danke für den Chat, besser als beim ersten Mal!") ist leider vom Server verschluckt worden.
Oswald_Metzger: Danke für die vielen Fragen - auch von den scharfen Kritikern. Einen guten Abend, bis zum nächsten Mal.
Boche: Ich danke Ihnen, Herr Metzger, recht herlich für den spannenden und konstruktiven Chat. Und dem Moderator für die hervorragende Moderation.
Moderator: Mit diesem positiven Worten beschließen wir diesen Chat dann auch - und natürlich auch vielen Dank an Boche für die Organisation und nochmal an Oswald Metzger, da es nicht selbstverständlich ist, auch so deutlich zu verlängern, wenn es gerade sehr interessant wird!
Moderator: <-- bittet darum den Chat jetzt zu verlassen, da der nächste in vier Minuten ansteht...
: Moderator hat den Raum verlassen
Oswald_Metzger: Danke an Boche und den Moderator und an den Rollenspieler. Ciao!
: Boche hat den Raum verlassen
: Oswald_Metzger hat den Raum verlassen
: Lars_Harms hat den Raum betreten