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Fragenübersicht Ist die Nichtanerkenntnis der EUGH-Rechtsprechung durch Polen der Anfang vom Ende der polnischen EU-Mitgliedschaft?
1 - 11 / 11 Meinungen
15.07.2021 10:05 Uhr
Glaube ich nicht. Übrigens könnte auch das deutsche Bundesverfassungsgericht so entscheiden, wenn es der Meinung wäre, dass EU-Recht gegen das Grundgesetz verstößt. Das ist jetzt sehr kurz gefasst und hat viele "aber, könnte, wenn, vielleicht"-Anteile, aber vom Grundsatz her gibt es zwischen dem europäischen und jeweils nationalen Verfassungsrecht (grundsätzlich) keine Unter- oder Überordnung.

Daher ist die Entscheidung der polnischen Richter vielleicht gar nicht so skandalös, wie es klingt. Eier haben sie aber auf jeden Fall.
15.07.2021 10:27 Uhr
Wie oben angesprochen gibt es die vom BVerfG entwickelte Ultra-Vires-Kontrolle, die erstmals bei den EZB-Anleihenkäufen zu dem Ergebnis führte, dass ein EU-Rechtsakt für den Bund nicht bindend sein soll. Dazu habe ich mal einen langen erklärenden Beitrag geschrieben, siehe Suchfunktion.

Soweit ich die Anträge verstanden habe geht es aber nicht darum, einen einzelnen Rechtsakt für nicht bindend zu erklären, sondern festzustellen, dass EuGH-Entscheidungen grundsätzlich keinerlei Bindungswirkung für Polen haben sollen. Und das wäre dann, anders als eine beschränkte Verwerfung eines einzelnen Rechtsakts, ein sehr großes Problem, da die Bindungswirkung grundsätzlich in den EU-Verträgen angelegt ist und das Gericht völlig sinnlos wäre, wenn Mitgliedstaaten sich an Entscheidungen grundsätzlich nicht gebunden fühlen wollen.

Zu einem Ausscheiden Polens aus der EU wird es zunächst dennoch nicht kommen, es wird aber Konsequenzen haben. Es gibt ja nun den neuen Mechanismus, in solchen Fällen Fördergelder einzufrieren, alleine deshalb ist davon auszugehen, dass Polens Regierung es nicht auf die Spitze treibt, zumal eine sehr breite Mehrheit proeuropäisch eingestellt ist.

Dennoch ist das dann der sanfte Beginn eines langsamen Ausscheidens Polens. Man verabschiedet sich partiell aus einem Bereich der Union und dann bald auch irgendwann aus dem nächsten.

Letztlich handelt es sich um Cherry-Picking, dass nicht dauerhaft funktionieren wird. Wir sollten uns auf einer kleiner werdende Union einstellen.


Diese Meinung wurde zuletzt geändert am 15.07.2021 10:29 Uhr. Frühere Versionen ansehen
15.07.2021 10:29 Uhr
Was hat die EU denn tatsächlich für Optionen? Polen aus der EU zu werfen würde die Flanke gegenüber Russland öffnen. Zwar wäre Polen noch Teil der Nato, aber die Handelsbeziehungen zu Polen würden sich komplizierter gestalten. Das wäre wohl sicherlich für deutsche Unternehmen nachteilig.

Allerdings kann ich mir nun aber nicht vorstellen, dass Polen sich an Russland annähern würde.

15.07.2021 10:32 Uhr
Ein aus der EU ausgeschiedenes Polen würde wieder einmal ein wenig zwischen den Stühlen sitzen. Ein bißchen wie zwischen 1920 und 1939, natürlich auf sanftere Art.

Wenn die Polen das wollen, dann: to tak powinno być...
15.07.2021 10:45 Uhr
Nein, dies kann ich mir nicht vorstellen, auch das Bundesverfassungsgericht hat bereits Urteile bzw. Bewertungen des EuGH bzw. der EU in Frage gestellt, ohne dass daraus ein Austrittsbegehren Deutschlands resultiert.
15.07.2021 10:53 Uhr
@ ratio

Danke für Deine Informationen.

Zitat:
Es gibt ja nun den neuen Mechanismus, in solchen Fällen Fördergelder einzufrieren, alleine deshalb ist davon auszugehen,


Das ist mal ein gutes Druckmittel und ich hoffe, die EU macht auch davon Gebrauch ...

Diese Meinung wurde zuletzt geändert am 15.07.2021 11:20 Uhr. Frühere Versionen ansehen
15.07.2021 10:55 Uhr
Zitat:
Nein, dies kann ich mir nicht vorstellen, auch das Bundesverfassungsgericht hat bereits Urteile bzw. Bewertungen des EuGH bzw. der EU in Frage gestellt, ohne dass daraus ein Austrittsbegehren Deutschlands resultiert.


Wie ratio legis oben dargestellt hat

Zitat:
Soweit ich die Anträge verstanden habe geht es aber nicht darum, einen einzelnen Rechtsakt für nicht bindend zu erklären, sondern festzustellen, dass EuGH-Entscheidungen grundsätzlich keinerlei Bindungswirkung für Polen haben sollen. Und das wäre dann, anders als eine beschränkte Verwerfung eines einzelnen Rechtsakts, ein sehr großes Problem, da die Bindungswirkung grundsätzlich in den EU-Verträgen angelegt ist und das Gericht völlig sinnlos wäre, wenn Mitgliedstaaten sich an Entscheidungen grundsätzlich nicht gebunden fühlen wollen.


geht es aber um die generelle Ablkehnung von EUGH-Entscheidungen.
15.07.2021 11:03 Uhr
Zitat:
geht es aber um die generelle Ablkehnung von EUGH-Entscheidungen.


So wie in diesem Fall?




"Das Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank zur Stabilisierung des Euro seit der Finanzkrise ist zum Teil nicht verfassungskonform. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht.....Zweimal hatte das Bundesverfassungsgericht den EuGH angerufen, zweimal hatte der EuGH die Staatsanleihenkäufe abgesegnet - zuletzt im Dezember 2018. Von dieser Auffassung wich das Bundesverfassungsgericht nun ab. "

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/urteil-ezb-anleihen-101.html








Unbestritten kann man beide Vorgänge nur bedingt miteinander vergleichen, aber dass das oberste nationale (polnische) Gericht eines Mitgliedsstaates der juristischen Wertung des EuGH nicht folgt, ist jetzt kein Novum bzw. Austrittsgrund.
15.07.2021 11:08 Uhr
Dann müsste ja auch Deutschland raus, denn hier verfolgt von der Leyen gerade die Linie, EU-Recht über das Grundgesetz zu stellen. Dem müssten die deutschen Verfassungsrichter eigentlich die gleiche Abfuhr erteilen wie die polnischen. Entweder zerfällt also die EU oder die nationalen Gesetze behalten Gültigkeit. Die EU wird das nicht durchziehen können - hoffe ich.
15.07.2021 20:22 Uhr
In letzter Konsequenz ja, aber die ziehen das nicht durch, denn dann hätten sie keine Chance, jemals wieder Wahlen zu gewinnen. Polen sind in der überwältigenden Mehrheit überzeugte EU-Bürger.

Man kann sich ein Szenario vorstellen, wo "der Frosch langsam gekocht wird", sprich, man entfernt sich langsam von der EU und die Mehrheit merkt es nicht. Irgendwann ist man nur noch formal Mitglied. Vielleicht hat man inzwischen auch alle Medien übernommen und die Mehrheit vom Austritt überzeugt. Aber ich glaube, das klappt nicht, denn die Polen sind inzwischen zu sehr daran gewöhnt, EU-Bürger zu sein.
15.07.2021 20:34 Uhr
BTW, das Problem, was viele Polen haben, ist, dass dieses "Verfassungsgericht" keins mehr ist. Die Vorsitzende wurde von der Regierungspartei eingesetzt und ihre größte Qualifikation besteht darin, daß ihr Mann IM des Sicherheitsdienstes zur Kommunisten-Zeit war (sprich, sie ist leicht erpreßbar). Als sie noch "einfache" Richterin war, wurde die Mehrheit ihrer Entscheidungen von höheren Instanzen einkassiert, und genauso geht das jetzt weiter.

Einige andere Mitglieder hätten es in normalen Zeiten auch niemals in ein Gericht oberhalb der kommunalen Ebene geschafft.
  GRUENE   IDL   SII, KSP   FPi
  CKP, KDP   UNION   NIP   PsA
  LPP   Volk, Sonstige
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