Chat-Transkript vom 17.06.2002

Prof. Dr. Klaus Kreiser, Lehrstuhl für türkische Sprache, Geschichte und Kultur an der Universität Bamberg

Thema: Die Vereinbarkeit von Islam und Menschenrechten

: Judith_Dellheim hat den Raum betreten
: Moderator hat den Raum betreten
Moderator: Guten abend
: apemantus_(SII) hat den Raum betreten
apemantus_(SII): Hallo
Moderator: Meion Name ist Oliver und ich werde den Chat heute moderieren.
apemantus_(SII): Hallo Oliver
apemantus_(SII): @Oliver Sagst Du Bescheid, wenn es losgeht?
Moderator: Ja, ich denke, wir können dann auch beginnen :) Ich würde euch bitten, euch kurz vorzustellen.
apemantus_(SII): Meine Name ist Helge. Ich bin einer der Sprecher des 17. virtuellen Landesverbands der PDS www.pds-lv17.de und sonst Mitglied bei der PDS und Attac.
Judith_Dellheim: Hallo prima Judith Dellheim, Mitglied des Parteivorstandes der PDS, Mitarbeit in verschiedenen internationalen Netzwerken test
Moderator: Dankeschön. Helge, möchtest Du mit den Fragen beginnen?
apemantus_(SII): Ja. Ich beginne mal mit ein paar Frgen, bis die Fragen aus der Connubity reinkommen.
Moderator: Das Thema heute lautet übrigens: Umsteuern: Soziale Gerechtigkeit durch Tobin-Tax und Vermögenssteuer
apemantus_(SII): Warum hat die PDS gestern einen bundesweiten Aktionstag gemeinsam zur Wiedereinführung der Vermögenssteuer und zur Tobin-Steuer gemacht. Was hat das miteinander zu tun?
Judith_Dellheim: Es geht um Gerechtigkeit und um 2 Symbole für ein Umsteuern pro Gerechtigkeit
apemantus_(SII): Wer setzt sich in der Bundesrepublik auch für eine Vermögenssteuer ein. Ist dafür eine Mehrheit überhaupt möglich?
Judith_Dellheim: Die DGB-Jugend hat die Vermögensteuer zum zentralen Kampagnethema. Ver.di fordert sie, die Memo-Gruppe, Sozialverbände, KommunalpolitikerInnen
Moderator: Frage von Joshy an Judith Dellheim:    "Was ist denn an der Vermögenssteuer gerecht?"
Moderator: Farbwechsel
Judith_Dellheim: Dass Erträge größere Vermögen zur Realisiserung öffentlicher Aufgaben stärker herangezogen werden
Moderator: Frage von Erlan an Judith Dellheim:    "Wie kann die PDS die Vermögenssteuer denn realistischerweise fordern, wo doch das Bundesverfassungsgericht sie als verfassungswidrig erachtet hat?"
apemantus_(SII): Die Kritik, dass eine Vermögenssteuer eine ungerechte Doppelbesteuerung und damit ungerecht wäre, stimmt so nicht. Zwar wird damit neben den Einnahmen auch das gebildete Vermögen besteuert, aber das ist ja die Regel. Auch das konsumierte Vermögen wird noch mal besteuert – durch die Mehrwertsteuer. Insofern wird mit eine Vermögenssteuer Steuergerechtigkeit hergestellt.
Judith_Dellheim: Das BVG hat die Steuererhebung kritisiert, die Verfassungskonformität der Steuer bestätigt
apemantus_(SII): Für die Einführung der Tobin-Steuer haben im Bundestag 50 Abgeordnete unterschrieben. In Frankreich dagegen gibt es dafür eine Mehrheit. Sind die Politiker hier anders?
Moderator: Frage von Regenwald an Judith Dellheim:    "Wie siest du die Chancen für eine weltweite Tobinsteuer?"
Judith_Dellheim: Das Problem ist nicht eine eventuelle Doppelbesteuerung, sondern der politische Wille, Vermögen bzw. Einkommen aus Vermögen zu besteuern.
Judith_Dellheim: Die Chancen für eine Tobinsteuer sehe ich nicht so ganz schlecht.
Moderator: Frage von Erlan an Judith Dellheim:    "Moment - die Vermögenssteuer ist deswegen verfassungswidrig, weil sie gegen den Halbteilungsgrundsatz verstoßen kann!"
Moderator: Frage von Joshy an Judith Dellheim:    "@ apemantus Ist dann die Vermögenssteuer nicht sogar, mit der Mehrwegsteuer zusammen, eine Dreifachbesteuerung?"
Judith_Dellheim: Das steuertechnische Problem ist immer lösbar
Judith_Dellheim: Regt sich niemand darüber auf, dass 1,1 Mio. Kinder in diesem Lande in Armut leben?
apemantus_(SII): @joshy Man kann wohl kum mit einem Hauruck die gesamte Steuerpolitik ändern. Darum setzt die auch PDS darauf, das bestehende Steuersystem zu verbessern. Das ein Neues nötig wäre, steht dem nicht entgegen.
Moderator: Frage von D-Patriot an Judith Dellheim:    "Dcoh, aber es muss doch andere Konzepte zur bekämpfung geben"
Judith_Dellheim: Stimmt zweifellos
Moderator: Frage von Erlan an Judith Dellheim:    "Natürlich regt man sich darüber auf! Nicht umsonst hat meines Wissens die rot-grüne Bundesregierung als erste Regierung einen offiziellen Bericht zur Kinderarmut vorgelegt."
Moderator: Frage von Joshy an Judith Dellheim:    "Wie stellt sich die PDS denn dan ein neues Steuersystem vor?"
Judith_Dellheim: Die vorige Antwort bezog sich auf SII. Es sollen zum Umsteuern auch andere Maßnahmen zur Anwendung kommen
apemantus_(SII): @joshy Das kann ich hier kaum komplett erklären. Aber es muß transparent und gerecht sein. Das Verschwinden von Steuerschlupflöchern und -oasen gehört dazu.
Judith_Dellheim: Die PDS wll leistungsgerechte Einkommensteuertarife, Individualbesteuerung, eine andere Unternehmenbesteuerung, Einschränkung von Steuerpriveliegien, eine andere Ökosteuer
Moderator: Frage von D-Patriot an Judith Dellheim:    "Frau Dellheim, wenn die Tobinsteuer kommt, müssen doch Umschichtungen im deutschen Steuersystem vorgenommen werden. Wie will denn die PDS das lösen?"
apemantus_(SII): An einem undurchsichtigen Steuersystem verdienen nur Steuerberater. Politische Aufgbe ist es, ausgleichend auf die Gesellschaft einzuwirken. Also ein Steuersystem, was die Ärmsten bevorteilt
Judith_Dellheim: Auch eine Erbschaftssteuerreform haben wir vorgeschlagen
Judith_Dellheim: Die tobinsteuer stellt keine Gefahr für unser Steuersystem dar, im Gegenteil
Moderator: Frage von Erlan an Judith Dellheim:    "Wie soll diese Erbschaftssteuerreform aussehen? Müssen da Familien nicht befürchten, daß nach dem Tode der Eltern das Einfamilienhaus verkauft werden muß, um die Steuern zu bezahlen?"
apemantus_(SII): @D-Patriot Ich frage, glaube ich für alle: Was ist mit *Umschichten* gemeint?
Judith_Dellheim: Richtig, das Steuersystem muss transparenter und einfacher werden, das Existenzminimum ist richtig zu ermitteln und steuerfrei zu stellen
Moderator: Frage von Joshy an Judith Dellheim:    "Durchsichtiges Steuersystem: 15, 25, 35 %. Wie steht die PDS dazu?"
Judith_Dellheim: Nein, unser Vorschlag sieht immer Steuerfreiheit für selbstgenutztes Wohneigentum vor
Judith_Dellheim: "Umschichten" bezieht sich auf andere Ausgaben im Haushalt
Judith_Dellheim: beim durchsichtigen Stuersystem können nicht die zu finanzierenden Aufgaben ausgeklammert werden, es geht nicht einfach um pauschale Sätze
Judith_Dellheim: Das Grundprinzip muss die linear-progressive Besteuerung der Einkommen und Vermögen sein
Moderator: Frage von D-Patriot an Judith Dellheim:    "Naja, die Tobinsteuer steht ja für bestimmt Bereiche zur Verfügung. Die (Ö)KO-Steuer wurde vor die Renten benutzt. Was genau passiert mit der Tobinsteuer. Wird die Einfach auf alle Bereiche aufgeteilt?"
Judith_Dellheim: Die Tobinsteuer-Aufkommen sollen zur Milderung globaler Problem, insbesondere für die Ärmsten dieser Welt eingesetzt werden
Judith_Dellheim: Die Ökosteuer der Regierung ist ja auch keine Ökosteuer
Moderator: Frage von Joshy an Judith Dellheim:    "Was für einen Eingangssteuersatz, und was für einen Spitzenseteuersatz stellt sich die PDS denn vor?"
Moderator: Frage von D-Patriot an Judith Dellheim:    "D.h. also, dass alle Mehreinnahmen der Tobinsteuer in die Entwicklungshilfe fließen?"
Judith_Dellheim: Das Ausgangsproblem ist die Höhe des Mindesteinkommens. Der Eingangssteuersatz könnte bei 15% liegen. Der Spitzensteuersatz sollte erstens bei 53% bleiben und schritteweise aufgehoben werden. Wozu der Deckel für Superspitzenverdiener?
Judith_Dellheim: Ja, die Tobinsteuer sollte "sich-etwickeln" helfen, am besten über globale Anit-Hunger-Programm
Moderator: Frage von T.B. an Judith Dellheim:    "Nachfrage: Wenn die Öko-Steuer keine Öko-Steuer ist, was ist sie denn dann?"
Judith_Dellheim: Ein Mittel zum Stopfen von Löchern in den Rentenkassen und ein Mittel zur weiteren Umverteilung von unten nach oben
Moderator: Frage von Erlan an Judith Dellheim:    "Spitzensteuersatz von 53% verstößt gegen den Halbteilungsgrundsatz..."
Judith_Dellheim: vielleicht kann man mal über den Halteilungsgrundsatz reden?
Moderator: Kurze Frage: Was ist denn genau der Halbteilungsgrundsatz?
Moderator: genau :)
Judith_Dellheim: Das soll lieber Erlan definieren!
Moderator: Frage von Erlan an Judith Dellheim:    "Oh Danke, mache ich gerne! :)"
Moderator: Frage von Erlan an Judith Dellheim:    "Der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts beschloss den Halbteilungsgrundsatz, der besagt, dass die Gesamtabgabenbelastung von Bürgern und Unternehmen höchstens die Hälfte der Einkünfte ausmachen darf."
apemantus_(SII): Ich stelle zwischend durch noch mal eine Frage, die vorhin untergegangen ist: Für die Einführung der Tobin-Steuer haben im Bundestag ca. 50 Abgeordnete unterschrieben. In Frankreich dagegen gibt es dafür eine Mehrheit. Sind die Politiker hier anders?
Judith_Dellheim: Das gegenwärtige Parlament in Frankreich ist anders zusammengesetzt. Es fürchtet Konzerne nicht ganz so
Judith_Dellheim: Das stimm zwar mit dem Senat, aber die paritätische Finanzierung der Renten wurde doch auch gekippt!
Moderator: Frage von Erlan an Judith Dellheim:    "Also halten Sie vom Halbteilungs-Grundsatz nichts?"
Moderator: Frage von Erlan an Judith Dellheim:    "Was bitte schön hat die paritätische Rentenfinanzierung (die es übrigens in Ausnahmefällen auch vorher schon nicht gab - sollte ich wissen, arbeite bei einer Rentenversicherung) denn damit zu tun?"
Judith_Dellheim: Von dieser Interpretation jedenfalls nicht viel. Der Spitzensteuersatz bestimmt, ab welchem Einkommen keine Abgaben mehr für die Finanzierzung der sozialen Sicherungssysteme erhoben werden. Was soll da der Deckel?
apemantus_(SII): @Erlan Es geht hier nicht darum, wie die PDS zu einer Gerichtsentscheidung steht, sondern wie man die Frage Gerechtigkeit *politisch* lösen will.
apemantus_(SII): Der Spitzensteuersatz von 53% war ja vorher auch viele Jahre juristisch und politisch opportun.
Moderator: Frage von Erlan an Judith Dellheim:    "apemantus: Das sehe ich ja ein - ich halte es jedoch für relativ dumm, wenn man soziale Gerechtigkeit in einer verfassungswidrigen Art und Weise schaffen will, weil damit der Sache nicht gedient ist, da das von vornerein zum Scheitern verurteilt ist."
Judith_Dellheim: Die nicht mehr paritätische rentenfinanzierung steht als Negativ-Beispiel dafür, dass über den Halbeteilungsgrundsatz diskutiert werden darf
Judith_Dellheim: Was die "politische Lösung" anbelangt, geht es um die erwähnte Aufhebung der Deckelung.
apemantus_(SII): Der Spitzensteuersatz ist nur eine Möglichkeit, um mehr soziale Gerechtiigkeit herzustellen. Aber er gehört dazu.
Moderator: Frage von Marcos1 an Judith Dellheim:    "Was hältst du davon, das führende Leute in der PDS Parteibeschlüsse ignorieren und sich immer wieder über eine mögliche Zusammenarbeit mit der SPD äußern ?"
Judith_Dellheim: Das dies nicht einfach eine technische Frage ist, sondern nur erkämpft werden kann, versteht sich eigentlich von selbst
Moderator: Frage von Erlan an Judith Dellheim:    "Ich vergleiche keine Äpfel (Besteuerung) mit Birnen (Rentenversicherung). Abgesehen davon, daß sie ja auch sicherlich wissen, daß es z.B. in der Rente Formen gibt, wo die Arbeitgeber 2/3 und die Arbeitnehmer 1/3 zahlen, und ohne die Bundeszuschüsse die Rentenkassen noch leerer wären - und insofern also der Halbteilungsgrundsatz erst recht eingehalten wird."
Judith_Dellheim: Marcos, was oder wen meinst Du?
Judith_Dellheim: Erlan, das hat nichts mit Verwechseln von Obstsorten zu tun!
Moderator: Frage von D-Patriot an Judith Dellheim:    "Wieso sollten die "reichen" eigentlich so viel Geld (über 53%) an die armen weitergeben? Die haben doch schließlich hart für ihr Einkommen gearbeitet. "
Judith_Dellheim: Ich glaube nicht, dass sie verarmen. Die Statistik sagt genau das Gegenteil.
apemantus_(SII): @D-Patriot Reichtum entsteht immer durch gemeinsame Arbeit. Einen reichen Robinson Crusoe gibt es insofern nicht.
Judith_Dellheim: Die leistungslosen Einkommen wachsen auch schneller als die produzierten ...
Moderator: Frage von Marcos1 an Judith Dellheim: "Was hältst du davon, das führende Leute in der PDS Parteibeschlüsse ignorieren und sich immer wieder über eine mögliche Zusammenarbeit mit der SPD äußern ?" "Leute wie Holter oder Gysi zum Beispiel"
Judith_Dellheim: Holter wurde zu recht dafür kritisiert. Gregor hat anderes gesagt. Möchtest Du das Orgnial?
apemantus_(SII): Das Gysi-Interview sagt anderes, als die Zusammenfassungen vermuten lassen: Hier ist es http://www.lvz-online.de/lvz-heute/7901.html
Moderator: Frage von Marcos1 an Judith Dellheim:    "Hat er keine Tolerierung von Rot-Grün vorgeschlagen ? "
Judith_Dellheim: Danke an SII
Judith_Dellheim: Nein!!!!
apemantus_(SII): Zitat Gysi (s.o.): FRAGE Schon wieder Tolerierung? GYSI: Das habe ich nicht gesagt. Eine Tolerierung auf Bundesebene ist ein sehr kompliziertes Instrument.
Judith_Dellheim: Und dann folgt erneute Kritik an der SPD
Moderator: Frage von Erlan an Judith Dellheim:    "Wie habe ich dieses Nein zu deuten angesichts der Interview-Aussage (danke an Apemantus für den Link): "Rein rechnerisch könnte es sein, dass als einzige Alternative zur großen Koalition eine Konstellation unter Führung der SPD nur mit den Stimmen der PDS realisierbar ist. Dann wird es an uns nicht scheitern, dass der Kanzler nicht Stoiber heißt, ohne dass wir in eine Koalition gehen. Mehr können Sie mir dazu nicht entlocken.""
Judith_Dellheim: Die PDS wird einen Kanzler Stoiber nicht wählen. Das hat sie gesagt und zugleich betont, dass eine Koalition mit der SPD nicht in Frage kommt. Das ist doch schlüssig
Judith_Dellheim: Die Kanzlerwahl ist ein Frage, aber nicht die Frage einer Tolerierung von Politik
apemantus_(SII): Denkbar wäre für mich, daß die PDS bei einer Wahl zwischen Stoiber und Schröder im Bundestag einmalig Schröder wählen würde. Einen Tolerierungsvertrag sehe ich aber nicht.
Judith_Dellheim: Genau in diesem Sinn wie SII schreibt
apemantus_(SII): Das ist eine Frage des kleineren Übels. Übrigens ist diese Frage in der PDS wirklich umstritten und noch mitten in der Diskussion. Einen Beschluß der pDS dazu gibt es m.E. nicht.
Moderator: Frage von Marcos1 an Judith Dellheim:    "OK, ich hatte das Original-Interwiew nicht gelesen. Aber wenn Gysi sich so schwammig ausdrückt, weiß er doch, was in den Medien daraus wird! "
Moderator: Frage von Marcos1 an Judith Dellheim:    "OK, ich hatte das Original-Interwiew nicht gelesen. Aber wenn Gysi sich so schwammig ausdrückt, weiß er doch, was in den Medien daraus wird! "
Judith_Dellheim: Naja, das Interview ist nicht schwammig.
Moderator: Frage von D-Patriot an Judith Dellheim:    "Wie steht die PDS eigentlich zur Vergangenheit der Frau Marquandt?"
Judith_Dellheim: Es gibt keinen Grund, A.M. Vertrauen zu entziehen.
Moderator: Frage von Erlan an Judith Dellheim:    "Soviel ich weiß gab es in Sachsen-Anhalt auch nie einen Tolerierungsvertrag. Und wenn man halt einem Regierungschef - ob nun Kanzler oder Ministerpräsident - in einem Parlament wählt, dann ist das eine Tolerierung."
apemantus_(SII): Hier ist es übrigens auch gut, die Erklärung von Angela Marquardt selbst zu kennen. Das erklärt wirklich einiges: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,200389,00.html
Judith_Dellheim: Nein, erstens gab es das Magdeburger Modell als klar definiertes Modell, zweitens ist eine Kanzler-Wahl nun wirklich etwas anderes als ein Blankscheck für Regierungspolitik.
apemantus_(SII): @Erlan In der BRD gibt es kaum politische Erfahrungen mit unklaren Parlamentsmehrheiten. Ich gehe davon aus, daß diese Erfahrungen wie in Italien oder Frankreich irgendwann gemacht werden müssen. Und da benötigt man neue Ideen.
Judith_Dellheim: Warum ist man in Deutschland bloß so fantasielos ?
Moderator: Frage von skintom an Judith Dellheim:    "was sind deine, über die tobin-steuer hinausgehenden vorstewllungen zur entmachtung des kapitals ?"
apemantus_(SII): Eine große Koalition kann ja wohl nicht das Ende, der politischen Träume sein. Sie wäre es in einem anderen Sinne.
Judith_Dellheim: z. B. die Schließung der offshore-Plätze, soziale und ökologische Mindeststandards, Kampf um die Durchsetzung der Menschenrechte und deshalb zuerst für Frieden, UNO-Reform ...
Moderator: Frage von Mike@Mac an Judith Dellheim:    "Fantasielos? Weil man wissen möchte, was man wählt, wenn man das Kreuz bei der PDS macht?"
Judith_Dellheim: "Fantasielos" bezog sich auf die offizielle Politik und die Fragen von Medien
Moderator: Frage von Mike@Mac an Judith Dellheim:    "Was haben denn soziale und ökologische Mindeststandards mit der Entmachtung des Kapitals zu tun? Auch der Kampf für den Frieden oder für die Menschrechte kann nicht in diesem Bereich angesiedelt werden"
apemantus_(SII): Die PDS steht in Opposition zur derzeitigen Regierungspolitik und zu Stoiber allemal. Das ist in der PDS breitester Konsens. Aber bei einer einmaligen Kanzlerwahl steht auch die Frage, was man zulassen will. Und soll Stoiber wirklich Kanzler werden? Neeee.
Moderator: Frage von skintom an Judith Dellheim:    "wIE GUT IST DIE ZUSAMMENARBETI MIT ATTC; DIE JA DIE tOBINSTEUER PRIMÄR auf der fahne hat - ich meine bundesweti, als auch lokal."
Judith_Dellheim: natürlich geht es bei der Einschränkung von Herrschaft und Macht des Kapitals um die Stärkung derer, die unter ihr leiden. Soziale und ökologische Standards stärken deren Rechte und Interessen, ihre Chancen, dem Kapital mehr abzutrotzen, seine Macht zu brechen.
apemantus_(SII): Krieg gibt es auch, weil Konzerne durch ihre wirtschaftliche Macht politischen Druck ausüben können. Darum sichert eine Einschränkung dieser wirtschaftlichen Macht auch den Frieden.
Judith_Dellheim: In Attac sind viele PDS-Mitglieder, u. a. ich auch ... Es gab mit Attac und Gabi Zimmer bereits Gespräche und auch Arbeitsabsprachen. Aber wir werden Attac nie und nimmer versuchen, zu vereinnahmen
apemantus_(SII): Ich auch :)
Moderator: Da es gleich 19.30 ist, würde ich vorschlagen, den Chat bald zu Ende gehen zu lassen. Ich stelle noch eine User Frage rein.
Moderator: Frage von Joshy an Judith Dellheim:    "Tja, und wie sieht es dann bei einer Entscheidung aus, wenn der Kanzler eine Abstimmung mit der Vertrauensfrage verbindet? Dann würde, ohne ein Eingreifen der PDS, schließlich doch jemand von CDU/CSU-Kanzler. Oder?"
Judith_Dellheim: Wie das? Eine Wahl ist eine Vertrauensfrage. Sie kann nicht mit kann nicht mit verbunden werden mit der Verpflichtung zum Verzicht auf Opposition gegen Regierungspolitik.
Judith_Dellheim: Sorry: Die Kanzlerwahl kann nicht mit dem Verzicht auf Opposition gegen die Regierungspolitik verbunden werden.
Moderator: Ich möchte mich recht herzlich bei allen Beteiligten für den spannenden Chat bedanken. Ich hoffe, es hat euch auch Spass gemacht.
Judith_Dellheim: Danke und tschüs!!
apemantus_(SII): Ja, das hat Spaß gemacht. Danke auch Judith und Oliver (Moderator). Und einen schönen Abend Euch noch. Und Danke für die vielen Fragen aus der Community.
Moderator: auch noch einen schönen Abend Allen
: Moderator hat den Raum verlassen
: apemantus_(SII) hat den Raum verlassen
: Prof.Dr.Kreiser hat den Raum betreten
: Prof.Dr.Kreiser hat den Raum betreten
Prof.Dr.Kreiser: Guten Nachmittag an Alle. Ich freue mich auf Ihre Fragen, Klaus Kreiser
: Moderator hat den Raum betreten
Moderator: Guten Abend Herr Kreiser. Mein Name ist Oliver und ich werde den Chat heute moderieren.
Moderator: Wir warten noch ein paar Minuten, bis der Chat sichtbar für die anderen Benutzer ist.
: Christoph_Erlenkamp hat den Raum betreten
Moderator: Guten Abend Christoph, Oliver hier.
Christoph_Erlenkamp: Guten Abend, Oliver, guten Abend, Herr Prof. Kreiser.
Prof.Dr.Kreiser: Ich begrüße Sie beide, nachdem ich Herrn Erlenkamp in Nürnberg begegnet bin, als "alten Bekannten".
Moderator: Ok, wir beginnen dann würde ich sagen. Es wäre nett, wenn Sie sich eben kurz vorstellen könnten.
Christoph_Erlenkamp: Mein Name ist Christoph Erlenkamp und ich gehöre zum Organisationsteam der Veranstaltungsreihe "Politik und Terror". Ich möchte Herrn Professor Kreiser, Oliver von dol2day und alle weiteren Teilnehmer am heutigen Chat auch noch ganz herzlich im Namen der Bundeszentrale für politische Bildung begrüßen.
Prof.Dr.Kreiser: Mein Name ist Klaus Kreiser, ich bin seit 1984 Inhaber des turkologischen Lehrstuhls an der Universität Bamberg. Zuvor hatte ich mehrere Jahre an der Uni München und an einem Istanbuler Instutut gearbeitet. Ich beschäftige mich mit Fragen der türkischen Geschichte und Kultur in der Neuzeit und Moderne und arbeite am Rande auch über islamische Themen. Das von mir mitherausgegebene Lexikon der islamischen Welt ist im arabischen Sprachraum (als Raubdruck) weit verbreitet. Zur Zeit schreibe ich an einer Untersuchung öffentlicher Skulpturen in der islamischen Welt. Zuletzt erschienen Bücher über Istanbul und den osmanischen Staat.
Moderator: Vielen Dank.
Moderator: Inwiefern gibt es generell einmal Konflikte zwischen dem Islam und den Menschenrechten?
Prof.Dr.Kreiser: Ich sehe den Grundkomnflikt bei der Ungleichbehandlung von Frauen mit Männern und Muslimen mit Nichtmuslimen.
Moderator: Wie steht es denn um die Menschenrechte in Bezug auf Frauen und den Islam?
Prof.Dr.Kreiser: Aus dre Sicht vieler Muslime sind Frauen gleichwertig, fallen aber rechtlich in eine andere Kategorie als Männer. In dre Gegenwart stellt sich die Frage in z.B. Maueretanien anders als in der Türkei. Dort gilt das islamische Recht als Kontrolle aller Normen, in der Türkei sind seit 1926 alle religiösen Regelungen abgeschafft.
Moderator: Das bedeutet, daß in Mauretanien die Shaira als staatliches Recht gilt oder wie kann man das verstehen?
Moderator: Sharia natürlich.
Christoph_Erlenkamp: Können Sie das vielleicht noch ein wenig erklären: "gleichwertig", und doch rechtlich in eine andere Kategorie fallend?
Prof.Dr.Kreiser: Mauretanien ist ein Beispiel für Systeme, in den die Scharia - zumindest in der Theorie - die Quelle aller Rechtsordnungen ist. Daraus erwächst ein Mitspracherecht von Islamgelehrten bei der Gesetzgebung. Das gilt für eine Reihe von Staaten, v.a. in der arabischen Welt.
Moderator: In welchen Punkten ist die Scharia mit den Menschenrechten unvereinbar und gibt es überhaupt eine einheitliche Scharia?
Prof.Dr.Kreiser: Das Besondere an der Scharia ist, daß sie, nicht kodifiziert, also in Form eines Gesetzbuchs, vor uns liegt. Zudem zerfällt die islamische Welt in mehrere "Rechtsschulen". Als Muslim ist man verpflichtet, sich den Regeln einer Rechtsschule anzuschließen. - Persönlich glaube ich nicht, daß sich die Scharia für eine moderne Rechtsordnung, in der Gläubige verschiedener Bekenntnisse und (nicht zu vergessen) viele Glaubenslose zusammmenleben, eignet.
Moderator: Frage von Benhur an Prof. Dr. Klaus Kreiser:    "Ist der Islam in Bezug auf die Frauenrechte reformfähig?"
Prof.Dr.Kreiser: Nach Überzeugung der Mehrheit aller religiös gebundenen Frauenrechtlerinen in der islamischen Welt: Ja.
Moderator: Frage von Erlan an Prof. Dr. Klaus Kreiser:    "Gibt es denn außer der Türkei noch andere Staaten die die Scharia so nicht mehr akzeptieren?"
Prof.Dr.Kreiser: In unterschiedlichem Ausmaß. Viele Staaten wenden die Scharia v.a. im Familien- und Erbrecht an, haben aber ein nicht-religiöses Strafrecht. In anderen (wie Pakistan) versucht man den Enfluß dre Scharia auf alle denkbaren Rechtsgebiete zu erweitern.
Moderator: Nachfrage zur Reform: Und wie sieht ihre persönliche Einschätzung aus?
Prof.Dr.Kreiser: Ich sehe vor allem einen Bedarf in der Frauenbildung. Alles weitere ergibt sich, wenn mehr Frauen Zugang zu Schaltstellen in Politik und Wissenschaft erhalten. Hier hat auch die Türkei noch viel nachzuholen.
Moderator: Frage von Vector an Prof. Dr. Klaus Kreiser:    "Sie schrieben, dass in der Türkei seit 1926 alle religiösen Regelungen abgeschafft sind. Dennoch wird seitens der EU beklagt, dass die Türkei noch nicht beitrittsreif sei wg. Verletzungen der Menschenrechte. Worin besteht nun der "Sonderweg" Türkei? Was ist dort schon eher verwirklicht als anderswo?"
Prof.Dr.Kreiser: Die Menschrechtsdefizite der Türkei betreffen in erster Linie den Umgang mit ethnischen Minderheiten (Kurden), haben also mit dem Theme "Islam" weniger zu tun.
Moderator: Frage von BayernAndy an Prof. Dr. Klaus Kreiser:    "Herr Prof. Dr. Kreiser, ist die Türkei als Mitglied in der EU denkbar? Politisch aber vorallem auch kulturell? Passt die Türkei kulturell in die EU?"
Prof.Dr.Kreiser: Ich denke, daß die Türkei angesichts ihrer gewaltigen Wirtschaftsprobleme eine zu große Belastung für eine Gemeinschaft darstellt, die kaum in der Lage ist die Agrarsubventionen mit den neuen Beitrittskandidaten zu lösen. Ich glaube nicht, daß der Beitritt der Türkei eine realistische Option ist, auch wenn alle Schulaufgaben in Bezug auf Menschenrechte (wie Abschaffung der Todesstrafe) gemacht sind. Ansonsten unterscheidet sich die türkische Gesellschaft von der anderer Staaten Südosteuropas nicht allzu stark.
Moderator: Frage von Erlan an Prof. Dr. Klaus Kreiser:    "Was halten Sie von dem Vorschlag Türkisch zu einer weiteren Amtssprache der EU zu machen (falls Zypern EU-Mitglied wird). Dadurch sollen angeblich die "Spalten zwischen der EU und der Türkei" überwunden werden. Ihre Meinung dazu?"
Prof.Dr.Kreiser: Das ist ein unausweichlicher Schritt nach dem Beitritt des zweisprachigen Zypern. Die Uhr läuft bereits und ist unabhängig von der Einigung der beiden Teilstaaten. Zunächst bedeutet das lediglich einen gewaltigen Aufwand an schriftlichen Übersetzungen des in der EU geltenden Rechts. Ob damit die TR näher an Europa heranrückt? Kaum, die meisten Zyperntürken werden ihre britischen Pässe nicht gegen türkischen tauschen.
Moderator: Frage von Vector an Prof. Dr. Klaus Kreiser:    "Sie sprachen eben nicht nur von der Ungleichbehandlung von Männern und Frauen, sondern auch von der Ungleichbehandlung von Muslimen und Nichtmuslimen. Wie drückt sich denn diese Ungleichbehandlung aus?"
Prof.Dr.Kreiser: Die islamische Doktrin erklärt Nicht-Muslime zu Untertanen "zweiter Klasse". Sie zahlen eine Schutzsteuer und sind vom Kriegsdienst befreit. Die Praxis islamischer Staaten unterscheidet sich jedoch von dieser Norm, z.T. erheblich.
Moderator: Frage von Benhur an Prof. Dr. Klaus Kreiser:    "Können Muslime unsere Vorstellungen von Toleranz, Menschen- und Frauenrechten verstehen?"
Prof.Dr.Kreiser: Wir sollten nicht vergessen, daß die von Ihnen genannten Werte im Westen erst seit wenigen Generation mehrheitlich vertreten werden. Viele Muslime betonen die offenkundige Diskrepanz zwischen westliche Werten und westlicher Praxis. Sie weißen auf den Strafvollzug in den Vereinigten Staaten hin und die grenzenlose Meinungsfreiheit in den Medien mit all ihren Folgen. - Ich denke, die Mehrheit der Muslime hat zu geringe Kenntnisse vom Westen, um ein sicheres Urteiul zu fällen.
Moderator: Wo sind denn die die Gemeinsamkeiten? Wo kann man ansetzen?
Prof.Dr.Kreiser: Ich halte einen praktsichen Ansatz für zielführender als theoretische Debatten über Rechtsordnungen. Es stellen sich viele Aufgaben, die man gemeinsam lösen muß. Dazu gehört der Wiederaufbau von Staaten wie Bosnien oder Afghanistan. Die Koordinierung westlicher und islamischer Entwicklungshilfe in Afrika wäre eine wichtige Aufgabe. Denn: beide "Welten" sehen ind er Überwindung von Armut und Unbildung ein wichtiges Ziel.
Moderator: Frage von Vector an Prof. Dr. Klaus Kreiser:    "Eine etwas abgehobenere Frage: "unsere" Menschenrechtsvorstellungen haben zwar auch - nehme ich mal an - ihren Ursprung in religiösen Quellen, dennoch wurden sie durch die sog. Aufklärung von diesen losgelöst: mehr oder weniger "rationale" Argumente wurden zur Begründung von unveräußerbaren Rechten angeführt, anstelle religiöser Offenbarung. Einige religiös überkommene Vorstellungen erwiesen sich so auch schlicht als unhaltbar. Gibt es ähnlich "aufklärerische" Schritte im Islam? Schritte, die den Koran als Quelle eines Bildes von Menschenrechten anerkennen, "als Inspiration" nutzen bzw. anerkennen, aber dann doch rational Unhaltbares einfach verwerfen?"
Prof.Dr.Kreiser: Ja, seit Ende des 19. Jh.s gibt es eine lebhafte innerislamische Debatte über die Zeitgebundenheit des Koran. An islamischen "Aufklärern" besteht kein Mangel. Ebensowenig fehlen Denker aus der arabischen, persischen und türkischen Welt, die zu Atheisten geworden sind. Viele Formen des mystischen Islam haben den Menschen ermöglicht, der strengen Gesetzlichkeit der Buchreligion zu entkommen.
Moderator: Frage von Benhur an Prof. Dr. Klaus Kreiser:    "Ist die viel beklagte Ghettobildung z.B. von Türken in Deutschland eine Art Selbstschutz, vor der Konfrontation mit westlichen Einstellungen?"
Prof.Dr.Kreiser: In Deutschland ist die "Ghetto-Bildung" übrigens viel weniger weit fortgeschritten als in Frankreich, wie unsere Untersuchungen über Bamberg un Colmar ergaben. Die meisten Türken beklagen die ethnische Zusammenballung und sind alles andere als glücklich darüber, daß ihre Kinder in vielen Schulen die Mehrheit bilden. Aber: Wohnweise sagt alleine nichts über das Zusammmengehörigkeitsgefühl einer ethnischen Minderheit. Nach allen Erhebungen sind die meisten Türken über zu wenig Kontakte mit der Mehrheitsbevölkerung nciht glücklich. Freoilich gibt es auch kleine sektierische Gruppen, die ihren Mitgliedern den Umgang mit anderen schlicht untersagen,
Moderator: Da die Zeit jetzt um ist, werde ich eine letzte Frage stellen. Dann müssen wir den Chat leider beenden.
Moderator: Frage von Erlan an Prof. Dr. Klaus Kreiser:    "Ist der Islam eigentlich mit der Demokratie, wie sie bei uns verstanden wird, vereinbar?"
Prof.Dr.Kreiser: Nach meiner Sicht nur dann, wenn die Sprecher der islamischen Gemeinschaften in Deutschland das Grundgesetz nicht für eine vorübergehende Rechtsordnung halten, der man sich einstweilen unterwirft.
Moderator: Ich bedanke mich recht herzliche bei Ihnen, daß Sie die Zeit hatten für den Chat und verabschiede mich auch von den Mitlesern.
Christoph_Erlenkamp: Herzlichen Dank an Professor Kreiser, an Oliver und an alle Fragesteller. Der nächste Chat in Verbindung mit "Politik und Terror" findet schon übermorgen statt. Thema: "Netzwerke des Terrors in Deutschland und der Welt" mit dem Journalisten Jürgen Roth. Wäre schön, wenn wieder viele von Euch bzw. Ihnen teilnehemen könnten. Die Veranstaltungen außerhalb des Netzes werden wie immer in der Rubrik "Institutionen" unter "Politik und Terror" angekündigt.
Prof.Dr.Kreiser: Danke, entschuldigung für die vielen Tippfehler, ich hoffe, wenigstens ein Teil meiner Antworten hat genützt.
Moderator: Natürlich :) Vielen Dank und auf wiedersehen.
: Christoph_Erlenkamp hat den Raum verlassen
: Juergen_Roth hat den Raum betreten
: Juergen_Roth hat den Raum verlassen